Bild: Jürgen Stühler erreicht sein Ziel

Mit dem Rad zum Meeting nach San Sebastian

Die Zusammenhänge beim Klima sind den meisten Menschen bekannt und durchaus bewusst. Weil man als Einzelperson, als Unternehmen und sogar als Staat global betrachtet wenig bewegen kann, steht Klimaschutz oft nicht gerade an oberster Stelle. Umso wichtiger ist es, mit gutem Beispiel voranzugehen, ein Zeichen zu setzen und damit andere zu motivieren, dachte sich Jürgen Stühler, leidenschaftlicher Radfahrer und Softwarearchitekt bei COSMO CONSULT in Nürnberg. Als das alljährliche Team Meeting in San Sebastian anstand, hatte er eine Idee: Statt wie üblich in den Flieger zu steigen, entschied er, die rund 1.500 Kilometer ins Baskenland mit dem Rad zu fahren. „Es ist nur ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz, doch wenn ich dabei den einen oder anderen Kollegen inspiriere, mit dem Fahrrad ins Büro oder mit der Bahn zum nächsten Kundentermin zu fahren, dann ist schon viel erreicht“, betont er. Über die Fahrt von Nürnberg ins Baskenland berichtet er in einem Reisetagebuch. Das ersparte Geld für das Flugticket und ein bisschen mehr gingen an die von Rüdiger Nehberg gegründete Organisation Target, die sich weltweit für Frauen und Mädchen einsetzt. 

Tag 1: Von Nürnberg nach Schwäbisch Hall

Bild: Tag 1

Ich starte um halb neun bei wolkenfreiem Himmel und traumhaftem Radwetter. Nachdem die südlichen Ausläufer von Nürnberg hinter mir liegen, geht es durchs Kammersteiner Land: Felder, Wälder, blauer Himmel und die Weite der Landschaft – ein toller Auftakt. Ab Herrieden wird es dann gewittrig und die geplante Route erweist sich als Fernstraße mit Schwerlastverkehr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als den Abschnitt weiträumig zu umfahren. Als ich um 18:15 Uhr in Schwäbisch-Hall ankomme, steht der Zähler auf 167 km – für den Auftakt absolut in Ordnung. 

Tag 2: Von Schwäbisch Hall nach Karlsruhe

Bild: Tag 2

Gleich hinter Schwäbisch Hall geht es steil bergauf. Nach einigen nervigen Kilometern auf und neben einer Bundesstraße führt die Strecke über kleine Straßen durch eine schöne Waldlandschaft – aber immer mit ordentlich Höhenmetern. In der Neckarregion wird es dann heiß und ich komme mit einem ordentlichen Flüssigkeitsdefizit bei meinem Freund Eric in Karlsruhe an.  

Tag 3: Von Karlsruhe nach Mulhouse

Bild: Tag 3

Bedingt durch die Übernachtung in Karlsruhe hinke ich meinem Zeitplan etwas hinterher, deshalb muss ich heute 50 km mehr herausfahren. Nach einem energiereichen Frühstück starte ich gegen 8:30 Uhr. Eric begleitet mich die ersten paar Kilometer über kleine Straßen durch das Elsass. Kurz nachdem wir den Rhein nach Frankreich überqueren, fährt er zurück und ich mache mich auf in Richtung Süden. Die Strecke führt immer am Rhein entlang. Sie ist eben und ich komme gut voran. Durch Straßburg lasse ich mich vom Navi lotsen. Sorry Straßburg, ich schaue dich gerne ein anders mal an. Du bist bestimmt schön, aber ich muss ins Büro! Anschließend geht es unendlich viele Kilometer an einem alten Kanal lang immer geradeaus. Landschaftlich kein Highlight, aber gut, um Strecke zu machen. Abends kurz vor acht komme ich in Mulhouse an – gerade noch rechtzeitig vor der Dunkelheit. Jetzt heißt es: Zelt aufbauen, duschen, schnell noch etwas essen und dann schlafen. Heute habe ich 215 km geschafft. 

Tag 4: Von Mulhouse nach Ranchot

Bild: Tag 4

Ein perfekter „Radltag“. Das Wetter ist vorragend, die Strecke auch. Es geht auf dem Euro-Radweg 6 den Rhein-Rhone-Kanal entlang. Die Stadtdurchquerung von Besançon ist etwas unangenehm. Da habe ich mir wohl eine schlechte Route ausgesucht. Nach 170 km finde ich einen schönen Campingplatz am Flussufer. 

Tag 5: Von Ranchot nach Montceau-les-Mines

Bild: Tag 5

Heute Nacht friere ich in meinem Schlafsack. Man merkt, es wird Herbst. Meine heutige Strecke führt über 150 km über Dole nach Montceau-les-Mines. Überwiegend flach, entlang an Feldern und alten Kanälen.  

Rückblickend erweist sich die Tour dann sportlicher, als ich dachte. Die 150 km lassen sich nicht mit einer Rennradrunde zu Hause vergleichen: Bei Sonnenaufgang aufstehen, Radeln, ein Ort zum Essen und vor Sonnenuntergang eine Übernachtungsmöglichkeit finden. Aber heute ist die Hälfte der Strecke geschafft und zur Feier des Tages gönne ich mir ein Hotel. Auch, weil sich der angepeilte Campingplatz als Wohnmobilstellplatz entpuppt.  

Tag 6: Von Montceau-les-Mines nach Servant

Bild: Tag 6

Diesmal geht es bei schönem Wetter über hügelige einsame Landstraßen. Das wird auch Zeit, denn die Flachetappen sind allmählich langweilig. Nach ca. 100 Kilometern muss ich mich richtig anstrengen: Bei schlechtem Straßenbelag und Gegenwind geht es stetig bergauf. Bei KM 145 gilt es, auch noch einen kleinen Pass zu bezwingen. Auf dem heutigen Campingplatz bin ich der einzige mit Zelt. Es sind nur noch wenige Leute da – die Saison geht zu Ende. 

Tag 7: Von Servant nach Brive-la-Gaillarde

Bild: Tag 7

Wind und Regen rütteln an meinem Zelt und ich kann kaum schlafen. Eigentlich schlechte Voraussetzung für die heutige Etappe: 205 km bis nach Brive, aber mit knackigen 2300 Höhenmeter. Noch im Dunklen baue ich mein Zelt ab und fahre los. Die Strecke ist ein ständiges auf und ab. Es folgen drei richtig lange Anstiege: auf bis zu 1000 m Höhe. Zur Belohnung gibt es aber auch schöne Abfahrten. Am Ende dann wieder knackige Anstiege mit fast 20 % Steigung. Landschaftlich wird dabei alles geboten. Es ist traumhaft schön. Es geht nur durch den Wald mit tollen Aussichten und das Schönste: kein Verkehr. Ich fahre wie in Trance. Beim Sonnenuntergang erreiche ich mein Ziel: Brive-la-Gaillarde. 

Tag 8: Von Brive-la-Gaillarde nach Libourne

Bild: Tag 8

Im Gegensatz zum gestrigen Ritt ist die heutige Etappe unspektakulär: 160 KM, ein paar Steigungen, ansonsten Flach, meist guter Belag und viel Rückenwind. Endlich mal Zeit für ein Bier nach der Ankunft am Campingplatz. Atlantik ich komme!

Tag 9: Von Libourne nach Dune de Pylat

Bild: Tag 9

Im Morgengrauen geht es im Nieselregen durch die Weinfelder von Bordeaux. Erst will ich Bordeaux umfahren, doch der Umweg beträgt mehr als 30 Kilometer. Gut, dass ich darauf verzichte. Ich fahre so schnell wie noch nie mit dem Fahrrad in einer Großstadt. Von den zweispurigen Straßen ist der rechte Fahrstreifen zur Bus- und Radspur umgewidmet. Radfahrer dürfen sogar bei Rot über die Ampel fahren – wenn frei ist. Ehe ich mich versehe, liegt Bordeaux bereits hinter mir. Die restliche Strecke bis zum Meer kämpfe ich mit Nieselregen und Gegenwind. Zur Belohnung winkt ein Treffen mit Freunden an der Dune de Pylat und ein tolles Abendessen mit Sonnenuntergang am Atlantik.  

Tag 10: Von Dune de Pylat nach Pyla-sur-Mer

Bild: Tag 10

Früh am Morgen verabschiede ich mich von meinen Freunden, denen ich eine erholsame Nacht in ihrem „Mobilhome“ verdanke. Bei wolkenlosem Himmel geht es Richtung Süden. Anstatt auf meiner geplanten Route zu bleiben, weiche ich auf den Radweg Eurovelo 1 aus, der in seiner vollen Länge vom Nordkap nach Portugal führt. Ich fahre abseits verkehrsreicher Straßen durch große Waldgebiete und kleine Ortschaften am Atlantik. Meine letzte Nacht im Zelt verbringe ich auf einem Campingplatz am Meer – noch einmal Gelegenheit, die Sonne im Atlantik versinken zu sehen. 

Tag 11: Von Pyla-sur-Mer nach San Sebastian

Bild: Tag 11

Letzte Etappe! Wieder packe ich meine sieben Sachen im Dunkeln und starte in die morgendliche Frische. Die Strecke führt über den Radweg Eurovelo 1 weiter Richtung Süden, immer der Küste entlang. Schon bald fahre ich überwiegend durch städtisches Gebiet, was meine Durchschnittsgeschwindigkeit etwas bremst. In Biarritz, bei den Schönen und Reichen, lege ich ein paar Fotostopps ein. Anschließend geht es hügelig weiter an der baskischen Steilküste entlang Richtung San Sebastian. Nach insgesamt 102 Kilometern komme ich um 16:30 Uhr im Büro an, wo ich von meinen Kollegen und das von Víctor bereitgestellte Bier begrüßt werde.